Judas Iskariot – Teil 9: Hat Judas sich erhängt oder ist er gestürzt?
In der Bibel finden wir zwei Aussagen über Judas Todesart. Wie passen sie zusammen? Hat Judas sich erhängt oder ist er gestürzt? Hier findest du die Lösung.
Warum Judas sich selbst umgebracht hat, haben wir im letzten Artikel behandelt. In diesem Artikel geht es nun um die Art und Weise seines Todes.
1. Das Problem: Hat Judas sich erhängt oder ist er gestürzt?
Wann immer zwei unterschiedliche Erzähler von einem Ereignis berichten, gibt es unterschiedlich Worte und Aussagen, die manchmal schwer zu harmonisieren sind. So ist es auch in der Bibel. Im Neuen Testament gibt es zwei Berichte von Judas Iskariots Tod:
Das erste mal lesen wir in Matthäus 27,5 davon:
Da nahm Judas das Geld und warf es in den Tempel. Danach ging er weg und erhängte sich.
Hier ist deutlich von Selbstmord durch Strangulation die Rede. Doch Lukas schreibt in seiner Apostelgeschichte 1,18:
Von dem Geld, das er für diese verwerfliche Tat bekam, kaufte er sich ein Stück Land. Dort stürzte er kopfüber zu Boden, sodass sein Leib aufplatzte und alle seine Eingeweide heraustraten.
Wie sind beide Berichte zu vereinen? Ist die Bibel widersprüchlich?
2. Lösungen: Hat Judas sich erhängt oder ist er gestürzt?
2.1: Die jüdische Sitte des über die Mauer Werfens
Arnold Fruchtenbaum, ein ehemaliger Jude, schreibt in seinem Buch „Das Leben des Messias“ S. 100:
Nach jüdischem Gesetz war die ganze Stadt unrein, wenn zwischen der ersten Nacht des Passahs und dem ersten Tag des Passahs ein Leichnam in der Stadt war. Dann durften sie dieses Passah-Opfer nicht bringen.
Nun sahen wir bereits, wie Juden mit solchen Dingen umgehen: Wenn es ein Gesetz gibt, das ein Problem aufwirft, erfinden sie ein zweites, um das Problem wieder beheben zu können. Das zweite Gesetz sagt: Man nehme den Körper und werfe ihn über die Mauern Jerusalems, die Mauer zum Hinnomtal. Dann wäre die Stadt wieder zeremoniell rein, und man könnte mit dem Opfer fortfahren. Die Beerdigung dufte dann erst nach dem Fest vonstatten gehen.
Indem Judas sich innerhalb der Stadtmauern erhängte, hatte er die Stadt zeremoniell unrein gemacht. Und so lange sein Körper in der Stadt war, konnten sie mit dem Opfer nicht fortfahren. So warfen sie auf der Basis des zweites Gesetzes seinen Körper über die Mauer – mit dem in der Apostelgeschichte beschriebenen Resultat.
Es ist denkbar, dass dieser Brauch der Juden in Vergessenheit geriet. Ich zweifle dennoch an dieser Lösung, da es mir seltsam vorkommt, dass die Juden so mit den Leichnamen umgegangen sein sollen (einfach über die Mauer werfen).
Dann spricht dagegen, dass der Satz in der Apostelgeschichte aktiv formuliert (er stürzte) und nicht passiv (er wurde gestürzt) ist. Ich kenne keine guten Argumente oder weiteren Belege für diese Lösung und halte deswegen diesen Lösungsvorschlag für unglaubwürdig.
2.2 Tod durch Sturz nach dem Erhängen
Hat Judas sich erhängt oder ist er gestürzt? Warum muss es entweder oder sein? Die einfachste und plausibelste Erklärung scheint zu sein: Judas erhängte sich selbst auf einem Acker und stürzte dabei. Vielleicht riss der Strick oder der Ast brach ab. Auf jeden Fall wurde sein Körper beim Fallen oder beim Aufprall stark in Mitleidenschaft gezogen.
Lukas geht in der Apostelgeschichte also davon aus, dass allen bekannt ist, dass Judas Selbstmord beging. Er konnte das als bekannt voraussetzen. Er will aber ein paar Detail ergänzen… So sind beide Angaben zur Todesursache wahr.
Laut Craig S. Keener gibt es antike Parodien auf Selbstmordversuche, bei denen die Seile rissen. Außerdem spricht dafür, dass dieser Lösungsvorschlag schon sehr früh durch die Kirchenväter vertreten wurde (Augustin lebte 354-430 n. Chr.).
3. Warum gibt es diese Unterschiede?
Ein ähnliches Problem entsteht, wenn man betrachtet, wer als Käufer in Matthäus und der Apostelgeschichte angegeben ist. Es gibt noch viele weitere Unterschiede in den Evangelien… Manchen Leser irritieren diese Unterschiede. Manche begründen ihre Skepsis damit. Doch wie glaubwürdig sind Berichte, die alle die gleichen Fakten und die gleiche Perspektive haben?
Die Übereinstimmungen und Abweichungen können damit erklärt werden, dass die Autoren unterschiedliche Einzelheiten betonen – eine Freiheit, die den Historikern der Antike zustand.
Hier ein Auszug von Jerry McDonald an einen Nate, der diese Frage auch hatte (http://challenge2.wordpress.com):
“His [Nates] problem is that he expects everything to be exactly parallel in the Bible when there are two different accounts of an event. He would not demand this of any other work. He knows that two newspaper reporters covering a single event will give different information, and both be right. Why does he feel differently about the Bible? People try to hold the Bible to some special rule; if God authored the Bible, every account on every event would say exactly the same thing. Why? If the Bible was written for men, and if two different writers giving different information about an event was what people understood as right and proper, then why wouldn’t the writers of the Bible do this?“
However, the writers of the Bible only wrote what they were told to write. The Spirit told Matthew to write one thing, and he told Luke to write yet another. So what does this mean? Neither Matthew nor Luke gave the whole story.
If Nate was one reporter reporting that man X died in a fire, and reporter B reported that man X was killed by a firearm, and his body was burned, I wouldn’t be confused, but I guess I watch too much CSI and know that not all the information is given in initial reports. I would assume that Nate did not have all the information when he made his report.
In gewisser Hinsicht sind die Unterschiede sogar ein Argument für die Glaubwürdigkeit der Zeugnisse der Bibel!
Hat dir dieser Artikel weitergeholfen?
Hallo Herr Janke,
ich bin heute auf Ihre interessante Internetseite gestoßen, auf der Suche nach Information übee den Tod des Judas. Ich sehe das allerdings ein bisschen anders als Sie. Die Unterschiede in den Evangelien rühren mE nicht daher, dass hier das gleiche historische Geschehen aus unterschiedlichen Perspektiven geschildert wird oder die biblischen Autoren sich die Freiheit der antiken Autoren nahmen, Dinge ein bisschen anders darzustellen oder einseitig zu beschreiben (die es durchaus gab), sondern dass die Evangelien keine historischen Tatsachenberichte sind oder sein wollen oder wie Zeitungsberichte unserer Zeit zu lesen wären. Es sind Glaubensschriften, die etwas über Gott oder Wichtiges über den Menschen aussagen wollen. Die Evangelisten haben das Geschehen um Jesus aus ihrem Glauben gedeutet (keiner von ihnen war als Augenzeuge dabei) und ihrer jeweiligen theologischen Aussageabsicht ihres Evangeliums unterstellt. So jedenfalls die Auffassung der katholische und evangelischen (EKD angehörigen) Kirche(n).
Mit herzlichen Grüßen
Gerhard Schmitz
Ja, ich kann diese Überzeugung verstehen, aber nicht gut heißen. Die Annahmen der historisch-kritischen Forschung rauben der Botschaft die Glaubwürdigkeit und machen sie beliebig interpretierbar.
Doch es gibt gute Gründe dafür anzunehmen, dass die Evangelien historische Tatsachenberichte sind. Es erfordert nur den Glauben, dass Gott sich in Zeit und Raum offenbaren kann. Für einen allmächtigen Gott ist das kein Problem.